Das Reiten von schreckhaften Pferden kann so manchen Reiter vor eine große Herausforderung stellen. Man möchte eigentlich nur ganz entspannt seine Zeit im Sattel genießen und eine Kleinigkeit genügt um so manches Pferd schnell abzulenken. Sei es eine über der Bande liegende Decke, ein Vogel der hochfliegt oder einfach nur jemand der an der Bande steht… Schreckhafte Pferde finden immer eine Möglichkeit etwas gruselig zu finden. Doch wie verhält man sich als Reiter richtig?

Um alle Seiten richtig beleuchten zu können werde ich nun etwas weiter ausholen.

Pferden sind "Arbeit" und "Sport" von Natur aus fremd

Als Steppentier zogen die Vorfahren unserer heutigen Reitpferde umher und folgten so dem ständig wechselndem Futterangebot. Eine Herde bewegt sich demnach in gemäßigtem Tempo, dies kann man auch gut bei Pferden auf der Koppel beobachten. Einen Gang höher schalten sie vor allem wenn Gefahr im Verzug ist. Allerdings kann man bei machen Pferden mehr und bei anderen weniger einen Spieltrieb beobachten. Diesen sollten wir uns zu jederzeit zu Hilfe nehmen um das Pferd motiviert und auch konzentriert  bei der Arbeit zu halten. Du solltest immer im Hinterkopf haben, dass dein Pferd ursprünglich nicht geschaffen wurde um von dir geritten zu werden. Ich beobachte gerade sehr verspielte, leistungsfähige und motivierte Pferde die zu häufiger Schreckhaftigkeit neigen. Deren Charakter ist es eben viel wahr zu nehmen. Die Kunst bei uns Reitern liegt nun darin, das schreckhafte Pferd auf uns zu konzentrieren ohne dabei Leichtigkeit und Motivation des Pferdes zu verlieren. Im Endeffekt wird der Fokus von Außenreizen auf uns den Reiter, der dem Pferd Sicherheit und Unterstützung gibt, übertragen.

Pferdeherde

Mit Schrecktraining ans Ziel

Wie ich bereits im letzten Absatz erwähnt hatte, sind mir zumeist wachere Pferde häufig als sehr leistungsfähig und motiviert begegnet. Oft sind es aber auch Pferde die in der Herde im Rang sehr hoch stehen und den Menschen nicht als „Sicherheitsaspekt“ beachten. Ihre Unsicherheit zeigt sich nun häufig in Schreckhaftigkeit und dem zwanghaften Verlangen immer alles im Blick zu haben. Ein erster Schritt wie du dein Pferd gelassener unter dem Sattel bekommst kann die Bodenarbeit und das Schrecktraining sein. Hierbei solltest du natürlich die wichtigen Basics der Bodenarbeit kennen. Das heißt dein Pferd sollte sich brav an der Hand führen lassen, auf dein Kommando stehen bleiben und losgehen. Wenn dies funktioniert, bist du dem Schritt zu einer leitenden Position schon etwas näher. Nun solltest du dein Pferd nach und nach an verschiedene Gegenstände aus der GHP gewöhnen. Regenschirm, Planen, eine Ratsche, aber auch Geräusche die du zum Beispiel aus deinem Handy abspielst (Applaus, Kutschengeräusche) können hilfreich sein. Wenn du neue Dinge das erste Mal übst, führe dein Pferd unbedingt mit Trense und Gebiss und am Besten in einem geschlossenem Raum. Sei es eine Reithalle, ein Longierzirkel oder ein Round Pen. Gehe zunächst in einem großen Bogen um den Gegenstand und beobachte dein Pferd. Verspannt es sich? Schnaubt es aufgeregt oder zieht Dich zur Seite? Laufe fürs Erste immer zwischen der Gefahr und deinem Pferd um ihm Sicherheit und Schutz zu geben. Eben genau dass was dein Pferd lernen soll: Da wo du mit mir bist passiert dir nichts. Lass dein Pferd trotz der Gefahr immer wieder ordnungsgemäß anhalten und losgehen, damit du trotzdem noch die volle Aufmerksamkeit hast und bestimmst was gemacht wird. Wenn du merkst, dass dein Pferd sich entspannt kannst du beginnen auf den Gegenstand (hier als Beispiel die Plane) darauf zu zugehen. Sei wieder zwischen Plane und Pferd, lass dein Pferd sich alles in Ruhe anschauen und fordere, wenn es sich entspannt hat dazu auf einen Schritt darauf zu zugehen. Reagiert dein Pferd auf den Antrieb und geht ein Stück auf die Gefahr zu, geb sofort im Druck nach lobe und lass es stehen. So kannst du dich nach und nach an die Plane heran tasten. Sei immer bestimmt, aber überfordere dein Pferd nicht. Auch wenn es mal wieder ein paar Schritte zurück geht bleibe ruhig und arbeite dich Schritt für Schritt voran. Gerade bei schreckhaften Pferden sollte so ein Training öfter mit einbezogen werden, sei es an der Hand oder auch unter dem Sattel. 

Schreckhaftes Pferd mit Regenschirm

Auslöser Reiter

Hast du dein Pferd an vielerlei Dinge gewöhnt und es verliert vielleicht sogar nach und nach seine Schreckhaftigkeit solltest du auf keinen Fall versuchen dein Pferd zu stark unter Kontrolle zu halten. Du möchtest, dass dein Pferd dir vertraut, dann schenke du ebenfalls Vertrauen. Bei jungen Pferden, die erst seit Kurzem unter dem Sattel sind, in Verbindung mit einem nicht sehr erfahrenem Reiter, kann dieses Problem auch durch den Reiter entstehen. Es ist eine Kleinigkeit, das junge Pferd guckt den Schatten an der Bande an, der Reiter verkrampft sich und zieht zurück und das Pferd wird unsicher und springt zur Seite. Dieser unangenehme Moment setzt sich in beiden Köpfen ab, sodass ein Teufelskreis entsteht. Wenn dies in jeder Situation der Fall ist wird es von Mal zu Mal schlimmer.

Es kann sehr hilfreich sein dein Pferd unter einem anderen Reiter zu beobachten. Verhält es sich genauso oder ist es entspannter weil der Reiter oben lockerer ist? Guckt dein Pferd nur an einer bestimmten Ecke, kann es hilfreich sein diese zunächst komplett zu meiden und dein Pferd normal zu arbeiten. Hier empfehle ich viele Übergänge mit halben Paraden um dein Pferd an den Sitz und aufmerksamer zu bekommen. Schreckhafte Pferde richtig an den Hilfen zu haben und dressurmäßig korrekt zu arbeiten kann häufig schon die halbe Miete sein. Reagiert dein Pferd nun gut auf deine Hilfen, ist vor dir und leicht in der Anlehnung kannst du beginnen dich der Gefahr zu nähern, jedoch nur in kleinen Schritten. Nehme dir vorerst den dritten oder vierten Hufschlag vor und taste dich langsam voran. Probiere dabei folgenden Varianten:

  • Dein Pferd bei dir halten/ dein Pferd eher alleine lassen und nachgeben
  • Hingucken lassen/ Pferd nach innen stellen und nicht gucken lassen
  • Stimme einsetzten um das Pferd zu beruhigen/ besser auf die eigene Atmung konzentrieren um ruhig zu bleiben um das Pferd nicht zu verunsichern
  •  Anhalten und gucken lassen bis sich das Pferd entspannt/ lieber weiter reiten und beschäftigen

Um die perfekte Vorgehensweise zu wissen solltest du solche Dinge gezielt üben und schwierigen Situation in denen dein Pferd schreckhaft reagiert auf keinen Fall meiden, sondern sinnvoll in dein Training mit einbeziehen sei es beim Reiten oder in der Bodenarbeit.

Die richtige Haltung und Fütterung bei schreckhaften Pferden

Schreckhaftigkeit bei Pferden kann jedoch durchaus auch haltungsbedingt sein. Durch die Anpassung der Haltungsbedingungen und abwechslungsreicher Bewegung kann man einiges erreichen. Pferde mit ausreichender freier Bewegung und Sozialkontakten sind in der Regel ausgeglichener und entspannter. Eine Koppel an der täglich ein paar Autos oder Traktoren vorbei fahren setzten Reize und helfen so, dass sich die schreckhaften Pferde gut daran gewöhnen können. Auch eine Kuh- oder Schafherde im näheren Umfeld können Anreize schaffen, die dein Pferd auf mögliche Situationen vorbereitet und du dein Reiten somit entspannter gestalten kannst.

Seltener können aber auch gesundheitliche Probleme der Fall sein, wenn ein Pferd erhöht schreckhaft ist. Zunächst sollte in regelmäßigen Abständen das Equipment überprüft und gegebenenfalls angepasst werden, aber auch ein korrekter Beschlag und das Überprüfen der Zähne durch einen Fachmann ist von großer Bedeutung. Das alles kann bei sehr sensiblen Pferde durchaus viel bewirken.

Auch ein Mangel an Nährstoffen können dem Pferd psychisch zu setzten. Häufig treten bei diesen Pferden Magnesium- und Vitamin-B Mängel auf, was sich in Angst und Verspanntheit äußert. Um den Mineralhaushalt zu überprüfen lasse ich bei meinen Pferden meist im Frühjahr ein großes Blutbild machen. Dann kann ich gezielt dort ansetzten wo Probleme bei den Nährstoffen auftreten. Auch Kräuter wie Baldrian, Hopfen und Melisse können beruhigend auf den Geist einwirken. Nur Vorsicht vor dem Turnier: nicht alle Kräuter sind ADMR konform und es müssen Wartezeiten eingehalten werden. Die Liste der erlaubten und nicht erlaubten Substanzen mit den Wartezeiten findest du hier.

Da der Verdauungstrakt unserer Pferde sehr empfindlich ist und dies ebenfalls zu Stress führen kann hier ein paar wichtige Anregungen was beim Füttern zu beachten ist:

  • ausreichend Raufutter (1,5 kg/ 100 kg LG) in guter Qualität
  • bei Gruppenhaltung Rangeleien ums Futter entgegenwirken
  • Anpassung der Getreidezufuhr
  • lange Fresspausen abstellen um die Gefahr von Magengeschwüren zu vermeiden
  • Futter muss frei von Schimmel und Schmutz sein

Ich empfehle immer vorher alle gesundheitlichen Aspekte und vor allem den korrekten Sitz der Ausrüstung zu überprüfen. Erst wenn hier alle Probleme beseitigt sind kann man sich beim Reiten fair dem Pferd gegenüber verhalten und häufig erledigen sich viele Rittigkeitsprobleme dann von selbst.